Seit einigen Monaten sind Tabletten verfügbar, die einen Schutz vor Zecken bieten. Im Internet werden diese Medikamente zum Teil hoch emotional und kontrovers diskutiert.
Warum wir diese Medikamente jedoch nur sehr selten verordnen, will ich hier kurz darstellen:
Nexguard®, Bravecto®, Simparica® und Credelio® sind die Vertreter dieser neuen Art von Antiparasitika. Sie werden als Tabletten verabreicht und bieten einen Schutz von 4 Wochen bzw. 3 Monaten (Bravecto®) nach Tabletteneinnahme.
Sie stellen damit eine Alternative zu den Halsbändern und Spot-On Präparaten dar und sind in der Anwendung „einfacher“.
Allerdings stellen sich mir hier doch einige Fragen:
Repellente Wikung ?
Es gibt Spot-On Präparate, die eine sog. repellierende Wirkung, also eine abschrechende Wirkung auf Zecken haben. Der Wirkstoff bleibt auf der Körperoberfläche in den Talgdrüsen und verhindert das Festsetzen der Zecke.
Andere Präparate haben nur eine abtötende Wirkung, die ca. 24-48 Stunden nach dem Biss eintritt.
Repellentien sind zu bevorzugen, da mit jedem Biß einer Zecke übertragbare Erkrankungen auf den Hund übergehen können. Babesiose, Ehrlichiose, Anaplasmose, und Rickettsiosen sind einige Beispiele. Die Angaben zu Übertragungszeiten variieren in experimentellen Studien zwischen 3 und 48 Stunden. Dabei gibt es Unterschiede je nach Zeckenart, Parasit und Studie. Von individuellen Varianzen ganz abgesehen. (1)
Den Biß der Zecke gilt es also zu verhindern.
Leisten das die Tabletten auch ?
Nein – sie haben zwar eine schnelle Abtötungsgeschwindigkeit, z. T. ca. 4 Stunden, aber sie haben keine repellierende Wirkung. Die Zecke muss sich am Patienten festsaugen und den Wirkstoff aufnehmen. Damit besteht wiederum die Gefahr einer Übertragung von Krankheiten. Darauf wird auch in den Beipackzetteln explizit hingewiesen.
Deshalb erfüllen diese Medikamente in meinen Augen nicht die Anforderungen an einen effektiven Zeckenschutz.
Sie schützen nicht vor Zecken, sie töten die Zecken erst nach dem Biß ab.
Sanft und sicher?
Der Gedanke, dass ich meinen Patienten einen Wirkstoff verordnen soll, der die o.g Anforderung nicht erfüllt, widerstrebt mir. Hinzu kommt, dass der Wirkstoff im Körper des Hundes für die Wirkdauer verhanden ist.
Ich finde es problematisch, wenn plötzlich Nebenwirkungen oder Interaktionen in Situationen auftreten, in denen sie nicht beherrschbar werden, z.B. während Narkosen oder im Zusammenspiel mit anderen Medikamenten.
„Echte“ Patienten sind anders
Auch wenn Zulassungsstudien genau geprüft werden, werden doch keine „echten“ Patienten behandelt, sondern die Auswahl der Patienten unterliegt immer strengen Auswahlkriterien wie z. B. Gewicht, Alter, Gesundheit,Rasse, gleichzeitige Medikamentengabe.
Es gibt immer Einschluss- und Ausschlusskriterien. Das macht auch insoweit Sinn, als dass man ja homogene Vergleichsgruppen für die Statistik benötigt.
Nach der Zulassung werden jedoch alle Patienten unabhängig von Rasse, Alter, Konstitution, Begleiterkrankungen, Fütterung und Lebensumständen behandelt – für mich sind das die „echten“ Patienten.
Somit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass unerwünschte Wirkungen auftreten, die in den Studien nicht aufgefallen sind.
Deshalb wird jedes Medikament in einer Phase der Nachprüfung nach Zulassung von den Behörden überwacht.
Für Bravecto® häuften sich die Berichte in den Internetforen über neurologische Probleme nach Verabreichung und letztlich wurde ein entsprechender Hinweis in den Beipackzettel erforderlich.
Veröffentlichung der FDA am 20.September
Vor wenigen Tagen hat sich die FDA nochmals dazu geäußert:
„The U.S. Food and Drug Administration is alerting pet owners and veterinarians to be aware of the potential for neurologic adverse events in dogs and cats when treated with drugs that are in the isoxazoline class.“ (2)
Umweltverträglichkeit?
Diese Medikamente werden im Wesentlichen übder den Kot ausgeschieden und das in aktiver Form. Somit gibt es noch eine Wirkung auf die Umwelt und die Medikamente töten die notwendigen Insekten.
Diese Überlegungen haben mich dazu bewogen, diese Gruppe der Medikamente nur sehr sparsam, zurückhaltend und nach genauer Abwägung zu verordnen und den Einsatz sehr genau zu überlegen.
Das Gleiche gilt im Übrigen auch für alle Medikamente mit verlängerter Wirkdauer, seien es Antibiotika oder Schmerzmedikamente.
Herzliche Grüße
Dr. med.vet. Klaus Sommer
Fachtierarzt für Kleintiere, GPCERT (SAS)
prakt. Tierarzt
© Tierärztliche Praxis Dr. Klaus Sommer, Heiglhofstr. 1a, 81377 München
Einige Quellen:
(1) https://michvma.org/resources/Documents/MVC/2017%20Proceedings/alleman%2001.pdf
(2) https://www.fda.gov/AnimalVeterinary/NewsEvents/CVMUpdates/ucm620934.htm